„Urbane Gebiete“ – Fluch oder Segen?

Das Baugesetzbuch und die Baunutzungsverordnung stehen vor einer umfassenden Reform, die noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird. Ein entsprechendes Gesetz wurde am 31.03.2017 vom Bundesrat verabschiedet. Das Gesetz wird jetzt über die Bundesregierung dem Bundespräsidenten vorgelegt und dann nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.

Unter anderem sieht das Gesetzespaket die Einführung eines neuen Gebietstyps, namentlich die Baugebietskategorie „Urbane Gebiete“ (MU) vor. Offiziell heißt es dazu in der Gesetzesbegründung, dass mit der Einführung der neuen Baugebietskategorie „Urbane Gebiete“ dem Trend zur Urbanisierung Rechnung getragen werden soll. An der Schnittstelle von Städtebaurecht und Immissionsschutzrecht soll den Kommunen durch die Einführung der neuen Baugebietskategorie beim Bauen in stark verdichteten städtischen Gebieten mehr Flexibilität eingeräumt werden, ohne dabei das grundsätzlich hohe Lärmschutzniveau zu verlassen. Insbesondere soll das Miteinander von Wohnen und Gewerbe in Innenstadtlagen bauplanungsrechtlich erleichtert werden. Zudem sieht die parallel dazu geänderte TA Lärm vor, dass die neue Gebietskategorie von ihrem Schutzanspruch her gleich nach den Gewerbegebieten eingruppiert wird und weniger Schutzanspruch gewährleistet als Mischgebiete. Der Immissionsrichtwert für Urbane Gebiete liegt dann tagsüber um 3 dB(A) höher als für Mischgebiete, also bei 63 dB(A).

Da „Urbane Gebiete“ ihrer Zweckbestimmung nach gerade dazu dienen, das Wohnen und die Unterbringung von Gewerbetrieben zu vereinen, bleiben die Auswirkungen auf bestehende Anlagen abzuwarten. Insbesondere wird im Einzelfall zu prüfen sein, wie dem baurechtlichen Gebot der Rücksichtnahme, dem Trennungsgrundsatz gem. § 50 BImSchG und den Regelungen in sog. Abstandserlassen Rechnung getragen wird. Dies gilt vor allem bei sog. Bestandsanlagen. Wenn zukünftig z.B. in Häfen oder auf ehemaligen Bahngeländen durch den neuen Baugebietstyp das Nebeneinander von gewerblicher bzw. industrieller Nutzung ermöglicht wird, ist gleichwohl nicht damit zu rechnen, dass damit Konfliktsituationen tatsächlich gelöst werden. Eventuell wird das Gegenteil der Fall sein, wenn etwa durch den neuen Baugebietstyp das Problem der „heranrückenden Wohnbebauung“ und der Schaffung neuer Immissionspunkte geradezu provoziert wird. Dass solche Konflikte heute oftmals zu Lasten der alteingesessenen Gewerbe- und Industriegebiete ausgehen, muss an dieser Stelle nicht weiter beschrieben werden.

Jeder Anlagenbetreiber ist daher zum Schutz seiner Anlage bzw. seines Bestandes aufgerufen, die bauplanungsrechtlichen Entwicklungen in seiner Nachbarschaft genau zu beobachten, um nicht eine ggf. existentielle Überraschung zu erleben, die vordergründig mit dem Trend „Urbanes Gebiet“ gerechtfertigt wird.

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Köln, 04.04.2017

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