EuGH: Keine Anwendung der EG-Abfallverbringungsverordnung auf die Verbringung von Speiseresten

In seinem Urteil vom 23.05.2019 (Rs.: C-634/17) hatte der EuGH über die bis zu diesem Zeitpunkt im Einzelnen äußerst umstrittene Abgrenzung der Anwendungsbereiche zweier sekundärrechtlicher Vorschriften zu entscheiden: Der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (VVA) und der Verordnung (EG) Nr. 1069/2009 mit Hygienevorschriften für nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte tierische Nebenprodukte (HygieneVO).

In dem durch den EuGH entschiedenen Fall ging es um die Verbringung von Lebensmittel- und Speiseresten aus den Niederlanden nach Deutschland. Seitens des Spediteurs wurde lediglich ein Handelspapier gemäß den Vorgaben der HygieneVO mitgeführt – ein Notifizierungsverfahren nach der VVA wurde hingegen nicht durchgeführt. Die zuständige Landwirtschaftskammer Niedersachsen ordnete daraufhin die Rückführung der verbrachten Abfälle mit der Begründung an, es hätte zuvor ein förmliches Notifizierungsverfahren durchgeführt werden müssen. Die Verbringung sei daher illegal.

Entscheidend war in diesem Fall, ob für die in Rede stehenden Lebensmittel- und Speisereste neben den Vorgaben der HygieneVO auch die VVA Anwendung findet. Nach Art. 1 Abs. 3 lit d) VVA sind nämlich nur solche Verbringungen vom Anwendungsbereich der VVA ausgeschlossen, die unter die „Zulassungsanforderungen“ der HygieneVO fallen. Solche Zulassungsanforderungen normiert die HygieneVO allerdings nur für bestimmte, als gefährdend eingestufte Materialien der Kategorien 1 und 2. Materialien der Kategorie 3, unter die auch die hier in Rede stehenden Küchen- und Speiseabfälle fallen, unterliegen diesen Zulassungsanforderungen nicht. Teilweise wurde daher die Auffassung vertreten, für Materialien der Kategorie 3 würden – neben den Vorgaben der HygieneVO – auch die Vorgaben der VVA Anwendung finden.

Dieser Auffassung erteilte der EuGH nun mit seiner Entscheidung vom 23.05.2019 eine deutliche Absage und stellte fest, dass Art. 1 Abs. 3 lit. d) VVA so zu verstehen sei, dass die Verbringung tierischer Nebenprodukte, die unter die HygieneVO fallen, grundsätzlich und unabhängig von ihrer Kategorisierung vom Anwendungsbereich der VVA ausgeschlossen sind, soweit in der HygieneVO nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist.

Das vorbezeichnete Judikat des EuGH dient damit in erheblichem Maße der Schaffung von Rechtsklarheit im Hinblick auf die Abgrenzung bzw. Konturierung der jeweiligen Anwendungsbereiche der HygieneVO und der VVA. Sowohl für Erzeuger und Transporteure von tierischen Nebenprodukten als auch für die Empfänger dieser Materialien, beispielsweise die Betreiber von Biogasanlagen, sind damit zukünftig auch bei der Verbringung der Materialien in das europäische Ausland allein die Vorgaben der HygieneVO zu beachten, wenn es sich um Abfälle i. S. d. Verordnung handelt. Auch das zuständige Ministerium in NRW reagierte jüngst auf das Urteil des EuGH und hob mit Datum vom 03.02.2020 den Erlass zur grenzüberschreitenden Verbringung verarbeiteter Gülle vom 29.07.2016 auf. In diesem Erlass wurde bisher nämlich die Rechtsauffassung vertreten, die durch das o. g. Urteil des EuGH ausdrücklich abgelehnt worden ist.

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Köln, 20.04.2020

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