Gesetzgeber „bessert“ Mess- und Eichrecht nach
– Keine Branchenausnahme in Sicht –
Das Mess- und Eichrecht hat im vergangenen Jahr zahlreiche Unternehmen der Entsorgungsbranche beschäftigt. Durch die im Jahr 2015 eingeführten Verschärfungen waren teilweise erhebliche Investitionen, nicht nur in neue Wiegevorrichtungen, sondern auch in zeitlicher und personeller Hinsicht bei der Umstrukturierung von Verfahrensabläufen, notwendig. Es offenbarte sich schnell, dass die Vorgaben des Mess- und Eichrechts, die vor allem dem Verbraucherschutz dienen, auf branchenübliche Gepflogenheiten, wie sie im unternehmerischen Geschäftsverkehr in der Entsorgungsbranche Standard sind, nicht zugeschnitten sind. Dies betrifft z.B. die sogenannten Schmutz- und Feuchtigkeitsabzüge sowie die Verwendung gespeicherter Tara-Gewichtswerte von Kraftfahrzeugen.
Zur Erinnerung: Aufgrund des Verbots der Verwendung von Messwerten, die nicht mit einem geeichten Messgerät ermittelt wurden, ist es nicht mehr zulässig, die üblichen Pauschalabzüge für Schmutz und Feuchtigkeit in geschätzten Gewichtseinheiten zur Abrechnung zu bringen. Darüber hinaus dürfen beim Wiegen von beladenen Fahrzeugen auf Kraftfahrzeugwaagen keine gespeicherten Tara-Gewichtswerte mehr verwendet werden. Aufgrund unterschiedlicher Gewichte je nach Füllstand des Tanks müssen die Fahrzeuge jeweils zweimal über die Waage fahren, einmal vor und einmal nach der Entladung (vgl. hierzu im Detail unser Newsflash 1/2016).
Die Vollzugsbehörden haben die unterbliebene Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben bislang noch nicht spürbar verfolgt. Viele Entsorgungsunternehmen haben diese behördliche „Stillhaltezeit“ dazu genutzt, ihre Wiege- und Abrechnungsabläufe entsprechend umzustrukturieren. Dies vor allem mit Blick darauf, dass von Seiten des Gesetzgebers trotz der intensiven Bemühungen von Branchenvertretern keine Abhilfe zu erwarten war. Umso mehr durfte man auf den Ende Dezember 2016 vorgelegten Referentenentwurf für eine zweite Verordnung zur Änderung der Mess- und Eichverordnung gespannt sein. Doch der Blick in den Entwurf ist ernüchternd. Bereits die Beschreibung der Problem- und Zielstellung durch den Gesetzgeber weist darauf hin, dass von der anstehenden Überarbeitung keine umfassenden Änderungen oder gar Branchenausnahmen zu erwarten sind. Vielmehr heißt es, es gehe um die Behebung „einiger redaktioneller Fehler“ und „kleinerer Probleme für Wirtschaft und Vollzugsbehörden“.
Kurz gesagt: Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit der Einführung einer Branchenausnahme schlichtweg nicht genutzt. So ermöglicht grundsätzlich § 36 MessEG, dass beispielsweise das Verbot der Verwendung von Pauschalabzügen ausnahmsweise nicht anzuwenden wäre, wenn das Schutzbedürfnis der von der Messung Betroffenen dies rechtfertigt und der Gesetzgeber dies durch Rechtsverordnung festlegt. Dies ist gemäß § 36 Nr. 1 MessEG ausdrücklich insbesondere dann der Fall, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die von der Messung unmittelbar Betroffenen wirtschaftlich gleichwertig sind und über die erforderliche Kompetenz zur Durchführung von Vermessungen und zur Bewertung der Messergebnisse verfügen. Basierend auf dieser Ausnahmeregelung wäre es für den Gesetzgeber insofern ein leichtes gewesen, bezüglich der üblichen Pauschalabzüge für Schmutz und Feuchtigkeit in der Entsorgungswirtschaft eine Ausnahmevorschrift vorzusehen.
Lediglich bezüglich der Verwendung gespeicherter Tara-Gewichtswerte von Kraftfahrzeugen enthält der Entwurf nunmehr zumindest eine Bagatellgrenze. Allerdings – und auch dies ist wiederum enttäuschend – beläuft sich diese Bagatellgrenze auf gerade mal 20,00 Euro Ladungswert bzw. Entsorgungskosten pro Tonne. Für die in der Entsorgungsbranche üblicherweise transportierten Ladungen ist diese Bagatellgrenze somit nicht ausreichend, um den Unternehmen, die ggf. bislang noch nicht tätig waren, eine Umstellung ihrer Wiegeabläufe bzw. ggf. die Anschaffung einer neuen
Waage zu ersparen.
Letztlich bleibt es damit leider beim Alten: Es ist nicht zu erwarten, dass der Gesetzgeber etwaige Kritik an seinem Änderungsentwurf noch berücksichtigen wird. Die Konsequenzen für die Entsorgungsbranche bleiben daher bestehen: Wer bisher noch nicht aktiv geworden ist, sollte dies nun schleunigst tun. Die stillschweigende Zurückhaltung der Vollzugsbehörden, die sich diese offenbar für einen ca. 2-Jahreszeitraum nach Inkrafttreten der neuen Regelungen gesetzt hatten, dürfte mit Ende des Jahres 2016 abgelaufen sein. Es steht zu erwarten, dass die Vollzugsbehörden in Kürze mit verstärktem Augenmerk auf die Umsetzung des Mess- und Eichrechts achten werden.
Für die, die ihre Abläufe noch nicht entsprechend angepasst haben, wird es daher umso wichtiger, zumindest die nachvollziehbare Dokumentation eines laufenden Umstrukturierungsprozesses vorweisen zu können. Ob dies ausreicht, kann allerdings nur die zukünftige Praxis zeigen. Wer sichergehen will, sollte sich daher möglichst beeilen, seinen Betrieb entsprechend umzustellen.
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Köln, 24.01.2017