Eingeschränkter Bestandsschutz
Maßgebliche standortbezogene abfallwirtschaftliche Tätigkeiten bedürfen regelmäßig einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz. Ohne eine solche Genehmigung ist zum Beispiel die zeitweilige Lagerung oder die Behandlung von Abfällen oberhalb gewisser Mengenschwellen unzulässig und kann sogar eine Straftat darstellen, die mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann.
Mit einer Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz wird festgestellt, dass die Anlage im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung den öffentlich-rechtlichen Vorschriften entspricht. Im Rahmen der sog. Konzentrationswirkung werden regelmäßig bestimmte andere – nicht aber zwingend alle – im Einzelfall erforderliche Genehmigungen eingeschlossen.
Zu beachten ist allerdings, dass ein Genehmigungsbescheid nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz zwar nach Ablauf der Rechtsmittelfristen in Bestandskraft erwächst, jedoch nur einen eingeschränkten Bestandsschutz vermittelt. Dies ergibt sich unmittelbar daraus, dass der Betreiber einer nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigten Anlage stets damit rechnen muss, Adressat einer nachträglichen Anordnung gem. § 17 BImSchG zu werden. Nach dieser Vorschrift können zur Erfüllung der immissionsschutzrechtlichen Anforderungen nachträglich Anordnungen getroffen werden. Grundlage dafür können etwa Verwaltungsvorschriften sein, die der deutsche Gesetzgeber aufgrund europarechtlicher Vorgaben anpassen muss. An erster Stelle sind in Bezug auf Abfallentsorgungsanlagen hier die sog. BVT-Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken zu nennen, die im August 2018 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurden. Nach verbreiteter Lesart sind die entsprechenden Vorgaben, bezogen auf bestehende Anlagen, innerhalb von vier Jahren umzusetzen, nach anderer Lesart sogar innerhalb eines Jahres seit der Publikation der BVT-Schlussfolgerungen.
Der deutsche Gesetzgeber hat in Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen mit Datum vom 28.01.2020 bzw. 04.02.2020 den Entwurf einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift (Abfallbehandlungs-VwV) vorgelegt. Obwohl es sich nur um einen Entwurf handelt und formaljuristisch auch nur sogenannte IED-Anlagen betroffen sind, werden die entsprechenden Anforderungen bei Neugenehmigungsverfahren und bei Änderungsgenehmigungsverfahren bereits zugrunde gelegt; bei Bestandsanlagen ist mit entsprechenden Anordnungen nach § 17 BImSchG jedenfalls zu rechnen. Im Übrigen ist in diesem Rahmen zu fordern, dass auch lediglich die entsprechenden europarechtlich vorgegebenen Inhalte zum Gegenstand einer nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG gemacht werden und nicht überschießende Ziele der zuständigen Behörde, die insoweit von einer Rechtsgrundlage nicht gedeckt sind.
In der Praxis stellt sich insoweit häufig die Frage, ob der Erlass einer einseitigen nachträglichen Anordnung nach § 17 BImSchG abgewartet werden soll oder doch eine proaktive Gestaltung vorzugswürdig erscheint, indem der Anlagenbetreiber auf die zuständige Genehmigungsbehörde zugeht und selbst Vorschläge unterbreitet, wie anlagenbezogen – den besten verfügbaren Techniken entsprechend – die europarechtlichen Vorgaben erfüllt werden sollen.
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Köln, 08.09.2020